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Teil 3: Wie die Bauern bei der Ablösung ihrer Frondienste übervorteilt wurden

 

Selbstverständlich hegten die meisten Bauern den Wunsch, von den lästigen Frondiensten befreit zu werden, und auch die Bürger der kleinen Landstädtchen, die ja auch durch die zu ihrem Hausbesitz gehörigen Bürgerfelder auch halbe Bauern waren, wollten alle auf dieser Grundlage ruhenden Dienstverpflichtungen loswerden. So benützten auch die Radeberger die größeren Einkünfte ihrer Stadt aus dem Bergbau im Tannengrunde, der im 16 Jahrhundert in schönster Blüte stand, um sich von den besonders lästigen Jagddiensten loszukaufen. Die meisten Bauern mussten sich aber weit länger gedulden. Wohl versprach man ihnen mit der Zeit der Freiheitskriege die volle oder wenigstens teilweise Aufhebung der Fronlasten, um sie für den Kampf gegen den Völkerunterdrücker Napoleon I. zu gewinnen. Aber als das Ziel erreicht und der Gewaltherrscher beseitigt war, dachten die regierenden Kreise nur an ihre eigenen Interessen und „vergaßen“ ihre den Bauern gemachten Versprechungen. Es war eine äußerst seltene Ausnahme, wenn ein Grundherr sie trotzdem erfüllte, wie der Leipziger Handelsherr Johann Gottlieb Preußer, der schon 1813 als Herr von Lockwitz bei Dresden seinen Bauern die Frondienste unentgeltlich erließ. Er hatte noch in der ersten vaterländischen Begeisterung gehandelt. Die anderen ließen diese vorüberrauschen, und es mussten noch fast zwei volle Jahrzehnte vergehen, und das Volk musste durch die revolutionäre Erhebung von 1830 kräftig nachhelfen, ehe sich die herrschende Klasse an ihr Versprechen erinnerte und sich zu seiner Erfüllung bequemte – aber so, dass sie dabei nicht zu schlecht wegkam.

 

Am 17. März 1832 schuf der neue sächsische Landtag die gesetzlichen Grundlagen für die Bauernbefreiung, die aber genügend dehnbar waren, so dass diese nach dem Motto durchgeführt werden konnte: „Wasche den Pelz, aber mach ihn nicht nass!“ – Die Bauern sollten wohl der Frondienste ledig, aber die Herren dadurch nicht in ihren „wohlerworbenen“ Rechten geschmälert werden. Die Herren sollten entsprechend – soweit es möglich war – entschädigt werden, ohne den Bauern unerschwingliche Lasten aufzuerlegen. Das führte an allen Orten zu langwierigen Verhandlungen. Die Herrschaften wollten möglichst viel haben, die Bauern erklärlicherweise möglichst wenig zahlen. Es musste dann ein Mittelwert gefunden werden, der beiden Teilen annehmbar erschien. Der lag aber meist nicht in der Mitte zwischen den beiden Vorschlägen der Kontrahenten, sondern begünstigte stark den Grundbesitzer.

 

Sehen wir, wie die dinge zum Beispiel in unserem Nachbardorfe Seifersdorf liefen. Erst nach drei Jahren, im Jahre 1835, legte die Gutsherrschaft ihren Untertanen die Berechnung der Dienstverpflichtungen zur Gegenäußerung vor. Diese Berechnung hatte Ökonomiekommissar Ernst Pötzschke in Dresden im Interesse der gräflichen Familie Brühl aufgestellt. Die Bauern unter ihrem Anwalt und Vertreter, dem Kommissar Christian Fürchtegott Auerswald aus Lockwitz, kamen natürlich zu niedrigeren Werten. Zunächst kam es bei den Verhandlungen am 3. November 1835 zu der grundsätzlichen Entschließung, dass vom 1. Januar 1836 an alle Dienste in Natura wegfallen sollten. Über die Ablösung aber fanden noch viele Verhandlungen statt. 1836 rief der Spezialkommissar Johann Karl Hauffe aus Kamenz noch an 17 Tagen Vertreter der Herrschaft und der Untertanen zusammen, und ein dickes Aktenbündel, das sich heute im Besitz der Gemeindeverwaltung befindet, zeugt von der Schwierigkeit dieser Verhandlungen. Nach der herrschaftlichen Berechnung ergab sich schließlich eine Dienstrente von 819 Talern 23 Groschen 10,2 Pfennigen, nach der Gegenrechnung nur von 406 Talern 18 Groschen 5 Pfennigen – also noch nicht halb so hoch. Der Mittelwert lag also bei 610 Talern. Die Bauern mussten sich in dem endlich am 24. September 1842, also nach über 6jährigem Verhandeln, abgeschlossen und feierlich unterzeichneten Rezesse zur Zahlung von 776 Talern 4 Neugroschen 6 Pfennigen bereit finden. Die Herrschaft wurde damit im Verhältnis 8,4 : 1 begünstigt.

 

Im gleichen Jahre wurde auch die Verpflichtung gegen das Prokuraturamt Meißen bereinigt. Am 20. Juli kam es zu keiner Einigung, wohl aber am 7. September und nur durch eine Entscheidung des Ministeriums, die auch dem herrschaftlichen Standpunkt nahe kam. Noch langwieriger waren die Verhandlungen über die Ablösung der Verpflichtungen aus den Diensdorfer Feldern. Darüber wurde zum Beispiel am 21. Mai 1842 und am 14. Januar 1843 auf dem Schlosse Hermsdorf verhandelt. Am 5. März 1844 bewilligten endlich die Bauern nach zweijährigem erfolglosem Streiten die geforderten Renten, um Weiterungen und Unkosten zu vermeiden, und am 25. September konnte der Vertrag unterschrieben werden. Aber damit waren die Verhandlungen noch immer nicht beendet. Erst am 26. September 1846 wurde der Rezess mit der Radeberger Kirche abgeschlossen und am 11. März 1852 der über die Ablösung der Verpflichtungen gegen die Seifersdorfer Kirche und Schule. 20 Jahre hatte es gedauert, ehe man sich über alles klar wurde.

 

Nur wenige Bauern konnten ihre neue Schuld abtragen. Dafür wurde das 25fache der ermittelten Rente gerechnet. Sonst musste die Schuld für die Ablösung durch 55 Jahresrenten getilgt werden. Diese Landrentenzahlungen liefen für die Seifersdorfer Bauern bis zum 30. September 1897 für das Rittergut, bis zum gleichen Termin 1899 für die Diensdorfer Felder, bis zum 30. Juni 1900 für den königlichen Futterboden in Dresden, bis zum gleichen Termin 1901 an die Kirche zur Radeberg, bis zum 30. September für die Seifersdorfer Kirche. Erst dann, 75 Jahre nach dem Beschluss des Befreiungsgesetzes, waren die Bauern endgültig von allen Dienstverpflichtungen frei.

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