Wie es früher unseren Bauern erging
Geschrieben von CarmenBeitragsseiten
Wie es früher unseren Bauern erging
Geschrieben von Prof. Dr. Th. Arldt, Radeberg
Veröffentlicht in der Broschüre zum Schul- und Heimatfest 1958
aus den Aufzeichnungen der Leppersdorferin Reingard Erler
Teil 1: Wie sie von ihren Herren behandelt wurden
Die Bodenreform, die in der DDR den Schlussstrich unter die feudale Wirtschaftsperiode zog, in der die großen Herren – Großgrundbesitzer, Junker und Großbauern – wie werktätigen Klein- und Mittelbauern und besonders die Landarbeiter unterdrückten und erbarmungslos ausnutzten, regt uns an, wieder einmal den Blick in die Vergangenheit zurückschweifen zu lassen und ein Bild zu entwerfen über die Zustände, unter denen die Vorfahren und Vorgänger unserer Landbevölkerung leben mussten. Zunächst wollen wir ein paar Beispiele für die menschenunwürdige Behandlung schildern, der die Bauern durch die Herren ausgesetzt waren, wenn sie nicht jeden Druck willenlos ertrugen und geduldig wie Haustiere alle Arbeiten ausführten, die von ihnen verlangt wurden – ob mit Recht oder mit Unrecht.
Da kam 1606 nach dem frühen Tode des Ritters Wolf Dietrich von Grünrodt sein gleichnamiger Sohn zur Herrschaft auf Schloss Seifersdorf, und er hatte nicht nur über die Seifersdorfer, sondern auch über die Schönborner und Ottendorfer als Untertanen zu gebieten. Vorerst war dieses Recht freilich noch etwas eingeschränkt, denn er war erst 14 Jahre alt; aber die Jahre, die er bis zu seiner Mündigkeit und voller Herrschergewalt warten musste, machten den herrschsüchtigen Junker nur noch eigenwilliger und starrsinniger. Zunächst schien es ja besser zu gehen. Am 6. Januar 1618 kam er mit seinen Bauern überein, dass in den nächsten 12 Jahren keine Holzfuhren nach Radeberg und Dresden ausgeführt werden sollten, die den Bauern immer sehr lästig waren. Natürlich war dieses Entgegenkommen des Ritters nicht ohne Gegenleistungen der Bauern denkbar. Sie mussten sich bereiterklären, andere Arbeiten auf den herrschaftlichen Feldern auszuführen. Der Herr kam schon nicht zu kurz dabei.
Aber selbst so reute ihn bald der Handel. Er verlangte schon nach 5 Jahren, im Jahre 1623, dass die Bauern wieder Holz fahren sollten – ohne deshalb auf ihre Ersatzdienste zu verzichten. Die Bauern weigerten sich im Bewusstsein ihres Rechtes, dieses anmaßende Verlangen zu erfüllen. Das genügte, den jähzornigen Ritter in Harnisch zu bringen; kurzerhand warf er die widerspenstigen Bauern in ein elendes Gefängnis – ein richtiges enges, unerträgliches und gefährliches Loch; alle auf einmal übereinander, dass sie sich nicht drehen und wenden konnten. In diesem mittelalterlichen Verliese erkrankten einige der so Eingesperrten. Ihre Frauen wandten sich mit Bitten an den Ritter, aber schroff wies er sie ab. Auf eine nunmehr abgesandte Beschwerde der Frauen an den Kurfürsten Johann Georg I. hin ermahnte dieser wohl den Ritter, die Bauern wieder freizulassen, aber dem starrsinnigen Tyrannen fiel das gar nicht ein. Er missachtete auch den Willen seines Landesherren und ließ nur seinen eigenen Willen gelten. Die Bauern mussten klein beigeben, um aus dem Gefängnis herauszukommen. Auf die Holzfuhren verzichtete der Ritter zwar gnädigst, aber dafür mussten die Bauern 5 Stunden auf dem Felde arbeiten, und dabei überwachte sie der Vogt oder ein anderer Schlossdiener mit einer Sanduhr, die der Ritter dazu hatte besonders anfertigen lassen.
Erst wenn in ihr nach 5 Stunden das letzte Körnchen heruntergeronnen war, dann durften die Bauern mit der Arbeit aufhören – keine Minute früher.
Im Juni des gleichen Jahres kam es zu einem neuen Streite und zu neuen Eigenmächtigkeiten des Ritters. Nach dessen Ansicht leisteten die Bauern ihre schuldigen Dienste nicht ordentlich und waren auch sonst widerspenstig und ungehorsam. Alsbald belegte er jeden mit einer Strafe von 2 Neuschock zur Anspornung ihrer Arbeitslust. Aber die Bauern hatten auch einen harten Schädel. Mit Recht wehrten sich die Bauern gegen die unmenschliche Ausbeutung und die Willkür des Feudalherren. Sie kamen weder zur Arbeit, noch zahlten sie die ihnen auferlegte Strafe. Das erboste den Ritter Grünrodt natürlich erst recht. Aber diesmal fing er anders an. Er raubte hinterhältig den Bauern das Vieh. Am 5. Juni kamen unerwartet abends seine Leute zu den Bauern und holten ihnen aus den Ställen etwa 20 Stück Rind- und Zugvieh weg. Noch am 11. Juli hielt er diese Tiere bei sich, ohne für genügend Wartung und Fütterung zu sorgen, so dass sie jämmerlich abmatteten und abkamen. Wieder wendeten sich die Bauern Hilfe suchend an den Kurfürsten, aber wir hören nichts davon, ob sie damit Erfolg gehabt hätten. Die Bauern mussten noch weiterhin auf ihr Vieh verzichten, das sie zum Leben und Wirtschaften dringend brauchten, und mit Jammer ansahen, wie es durch Mangel an Futter immer mehr verkam. Hier konnte nur Selbsthilfe gegen den eigenmächtigen Herren helfen, der sich auf seinem Grund und Boden als unbeschränkter Herr fühlte.
Als er infolge einer Reise einmal von seinem Hofe abwesend war, fassten die Bauern Mut und gingen auf den Hof, ihr Vieh abzuholen. Das gelang ihnen auch, denn die Hofleute traten ihnen nicht ernstlich entgegen. Natürlich war Wolf Dietrich bei seiner Rückkehr darüber sehr ärgerlich, aber er wagte doch nicht, seinen Gewaltstreich ein zweites Mal auszuführen. Er begnügte sich nur seinerseits mit einer Klage beim Kurfürsten, die er mit einer Verteidigung seines Verhaltens verband.
Übrigens war er unter den damaligen Feudalherren in seiner Handlungsweise durchaus keine Ausnahme. Auch anderweit hören wir von solchen Ungerechtigkeiten und Gewalttätigkeiten. Ein ganz übler Herr war Wolf von Schönberg, früher Oberst in französischen Diensten, dann Kreisoberster und Amtmann – erst in Stolpen und dann in Radeberg, der sich überall durch rohe Behandlung seiner Untergebenen auszeichnete. Er kaufte später die benachbarte Herrschaft Pulsnitz, und nun konnte er seine Barbarei an seinen Untertanen hemmungslos austoben. Auf deren Beschwerden hin wurden diese von der Behörde zum Gehorsam ermahnt, und als sie Abgeordnete zur Klage an das kaiserliche Gericht zu Bautzen schickten, veranlasste Schönberg, dass sie ins Gefängnis geworfen und nicht früher aus ihm entlassen wurden, als bis sie am 31. Dezember 1593 ihrem „gütigen“ Herren Wolf Abbitte geleistet und für alle Zeiten Gehorsam gelobt hatten. Außerdem mussten sie die hohen Berichtskosten bezahlen. Mancher Bauer musste dazu sein Vieh verkaufen.
Als Wolf 1603 starb, entpuppte sich sein Sohn Wolf Georg, dem die Herrschaft Pulsnitz mit der Stadt und 12 benachbarten Dörfern zufiel, als ein noch ärgerer Menschenquäler als sein Vater. Die Unsummen, die er verprasste, presste er aus seinen Bauern heraus. Er holte ihnen die Kühe aus dem Stalle für ein Drittel ihres Wertes; Getreide mussten sie bei ihm zu höchsten Preisen kaufen, auch wenn es nicht brauchten. Für die Erlaubnis, ein Kind in die Schule zuschicken oder ein Handwerk lernen zu lassen, musste der Bauer 10 Taler an ihn und 1 Taler an seinen Schreiber zahlen. Auch fette Gänse mussten sie zu ein Drittel ihres Selbstkostenpreises an ihn liefern. Seine Schafherden ließ er auf ihren Saatfeldern weiden und so fort. Wieder ging eine Abordnung nach Bautzen, wo man sie als Rebellen verhaftete und ihnen einen Rechtsbeistand versagte. Das Urteil fällten gute Freunde und Verwandte des Junkers. Dementsprechend lautete es auf Abbitte und Zahlung aller Kosten.
Acht Jahre ging diese Misswirtschaft fort. Dann hatte Wolf Georg trotz seiner Erpressungen abgewirtschaftet und musste seine Herrschaft einem Bruder überlassen, der aber auch nicht viel besser war als er. Der Bauer blieb nach wie vor rechtlos.