Geschichtliche Darstellung des Ortes Leppersdorf unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte des Geschlechtes des Verfassers
Von Emil Richard Werner
Zeitpunkt der Aufzeichnung unbekannt
Handschriftliche Aufzeichnung der Leppersdorferin Frau Reingard Erler (1926 – 2009)
Unveränderte und ungekürzte Abschrift
Familienforschung und Familiengeschichte waren in meiner Jugendzeit auf dem Land noch unbekannte Dinge. Ich selbst hatte über die Großeltern hinaus von meinen Vorfahren keinerlei Kenntnis. Auch die Geschichte meines Geburtsortes blieb mir fremd. Erst nach dem ersten Weltkriege wurden Familien- und Heimatforschung auch auf dem Dorfe Mode. In dieser Zeit nahm der Verfasser diese Forschungen auf. Sie brachten das überraschende Ergebnis, dass meine Vorfahren schon im 15. Jahrhundert begüterte Bauern meines Geburtsortes waren. Aus Gerichts- und Kirchenbüchern geht hervor, dass sie auch zeitweise das Amt eines Gerichtsschöppen und Kirchenältesten innehatten. Heimatforscher berichteten mir, dass mein Geschlecht aller Wahrscheinlichkeit nach mit zu den Gründern des Dorfes gehörte. Diese Annahme gewinnt noch dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass das frühere Wernersche Stammgut im Gegensatz zu den bestehenden Leppersdorfer Bauerngütern in all den Jahrhunderten in ununterbrochener Erbfolge im Besitze des Wernerschen Geschlechts geblieben war. Demnach wären meine Vorfahren schon vor mehr als 700 Jahren ansässige Einwohner des Ortes gewesen. Die Geschichte der Familie Werner ging also gleichlaufend mit der Geschichte meines Geburtsortes.
Bei Abfassung der weit in die Vergangenheit zurück reichende Geschichte meines Geschlechtes kam mir der Gedanke, auch eine kurze Geschichte meiner Dorfheimat als Bestandteil der Familiengeschichte aufzuzeichnen. Diese Aufzeichnung soll keine Chronik von Leppersdorf sein, sondern nur ein lebenswahres Heimatbild meines Geburtsortes für die fern der Heimat lebenden Mitglieder meines Geschlechtes. Sie soll aber auch ein Denkmal der Liebe sein, die ich als der letzte Spross eines uralten Leppersdorfer Bauerngeschlechts meiner Dorfheimat entgegenbringe. Als Standplatz dieses Denkmals der Liebe wählte ich die Heimatzeitung meines Heimatdorfes, die berufen ist, die heimatlichen Belange des Radeberger Bezirkes zu wahren.
Mögen auch die nicht Ackerbau betreibenden Bewohner meines urdeutschen Geburtsortes beherzigen, dass all unsere Kraft und Zuversicht, die in heimischen Boden und auf heimischen Volkstum liegen, mit der wir alle verwurzelt sind. Aus dieser Erkenntnis heraus achte und ehre ich den Bauernstand und die Männer in Bauernkleidern. Dieses Bekenntnis hat aber auch seine Grundlage in der Ehrfurcht vor der Vergangenheit eines bäuerlichen Geschlechts.
Gründung und Namensgebung der Ansiedlung
Mein Geburtsort Leppersdorf ist eine germanische Siedlung im ehemals slawischen Raum östlich der Elbe. Im 12. Jahrhundert siedelten sich hier fränkisch-thüringische Kolonisten an, die damals vom Meissner Markgrafen ins Land gerufen wurden, damit sie einen kräftigen Schutzwall gegen das Slawentum bilden sollten. In dieser von Slawen dünn besiedelten Gegend wurden die Kolonisten zwischen und um die slawischen Siedlungen angesetzt. So entstanden um Radeberg, die eine slawische Siedlung war, eine Anzahl germanischer Orte, zu denen auch Leppersdorf gehörte.
Auch die spätere Hauptstadt Dresden, die erstmals in einer Urkunde des Markgrafen Dietrich vom 31. März 1206 als Stadt erwähnt wurde, war eine germanische Siedlung neben einem slawischen Fischerdorf, das den Namen DREZENDA führte. Dieser Name wurde von den Deutschen in DRESDEN umgewandelt. Meist wurden aber die germanischen Siedlungen nach den Sippenältesten oder einer sonstigen führenden Persönlichkeit der Kolonisten benannt. So liegt im Namen LEPPERSDORF auch ein Familienname versteckt. Aus einer Lehensurkunde des Lehensbuches Friedrich des Strengen, Landgraf von Meissen und Thüringen, des Jahres 1349 geht hervor, dass der Ort um diese Zeit LUPRANDISDORF genannt wurde. Demnach scheint der Sippenälteste oder Kolonistenführer LUPRAN geheißen zu haben.
Eine Urkunde aus dem Jahre 1375 bezeichnet den Ort schon als LUPRERSDORF. 1393 hieß es LÜPRERSDORF, 1398 LÜPPERSDORF und später LEUPERSDORF. Im Jahre 1633 ist der Name LEPPERSDORF durch Weglassen des „u“ aus Leuppersdorf entstanden. Diese Namensentwicklung lässt erkennen, wie im Laufe der Jahrhunderte Ortsnamen geformt wurden, die mit der ursprünglichen Fassung keine Ähnlichkeit mehr haben.
Lage und Geschichte des Ortes
Der Ort Leppersdorf ist ein schön angelegtes, in fruchtbarer Gegend gelegenes stattliches Bauerndorf im Kreise Dresden mit zurzeit rund 1.200 Einwohnern. Die Gemarkung schiebt sich in ihrer Süd-Nord-Richtung zwischen die Gemarkungen der Städte Radeberg und Pulsnitz und bildet somit das Bindeglied zwischen diesen beiden Städten.
Im Norden grenzt Leppersdorf an die Oberlausitz, die 1156 als Markgrafentum an Böhmen kam. Um diese Zeit dürfte mein Geburtsort als Schutzwall gegen das Slawentum gegründet worden sein. Er bildet sonach den Grenzort zwischen Böhmen und dem Meissner Lande und damit auch die Grenzscheide zwischen dem wendischen und deutschen Gebiete.
Zur Zeit der Gründung von Leppersdorf war Meissen, das 928 von Heinrich (dem Vogelsteller) als Sitz des Markgrafen gegründet wurde, Hauptstadt des Markgrafentums Meissen. 40 Jahre später (968) gründete Kaiser Otto I. das Bistum Meissen. 1559 nahm das Stift die protestantische Kirchenverfassung an; 158? (letzte Ziffer nicht lesbar – Anm.d.Red.) trat auch der Bischof zur protestantischen Kirche über. Seit dieser Zeit gehörten die Bewohner meiner Heimat und damit auch meine Vorfahren der evangelisch-lutherischen Kirche an, nachdem sie seit der Gründung des Ortes der katholischen Kirche angehört hatten.
Nach dem westfälischen Frieden wurden die Kurfürsten von Sachsen wieder Landesherren der Lausitz. Leppersdorf war nun kein Grenzort mehr. Die Slawen, die hinter den Lausitzer Bergen noch heute ihren Sitz haben, waren schon in den früheren Jahrhunderten nach Norden zurückgedrängt worden. Dadurch wurde auch die nördliche Umgebung meiner Heimat rein deutsches Gebiet. Die Bevölkerung meines Geburtsortes spricht, wie die Bewohner aller Orte dieser Gegend, den Oberlausitzer Dialekt.
Die älteste bis jetzt bekannte Urkunde über Leppersdorf stammt aus dem Jahre 1349. Sie ist in lateinischer Sprache abgefasst und hat eine Belehnung des Ortes Luprandisdorf an Nikolas de Maltitz zum Gegenstand. Eine zweite Urkunde, datiert vom 5. Februar 1375 und 18. Mai 1393, bestimmt, dass Luprandisdorf zum Leibgedinge Elisabeths, der Gemahlin des Burggrafen von Wittyn, gehört.
In all den Jahrhunderten hat Leppersdorf auch schwere Zeiten erleben müssen. Die Hussitenkriege brachten großes Unheil über diese Gegend. Auch der Dreißigjährige Krieg ließ meine Heimat nicht unverschont. Die Pest forderte 1631 bis 1634 und 1680 außerordentlich große Opfer. Der Sage nach soll 1631 ein besonderer Pestfriedhof außerhalb des Ortes angelegt worden sein. Ein Kreuz aus Granit, das damals in die Kirchhofsmauer eingefügt wurde, wird heute noch als Pestkreuz bezeichnet und erinnert an diese schwerste Gottesgeisel.
Der Siebenjährige Krieg sowie die Napoleonischen Kriege vernichteten den Wohlstand der Ortseinwohner fast vollständig. Aus den Erzählungen meiner Großmutter, die die Befreiungskriege erlebte und durch ihre Vorfahren auch Einzelheiten aus dem Siebenjährigen Kriege wusste, ist dem Verfasser mancherlei überliefert worden.
(Ende der Aufzeichnungen)